Molekularbiologie

Genprofil zur Differenzierung akuter / fulminanter Myokarditiden

Die Identifizierung verschiedener akuter, myokardialer Entzündungserkrankungen, wie der Riesenzellmyokarditis (IGCM), kardialen Sarkoidose (CS), eosinophilen Myokarditis (EOM) stellt eine große klinische Herausforderung dar und wird häufig erst bei einer Autopsie möglich1,2. Der diagnostische Goldstandard (EMB) kann aufgrund der fokalen Beteiligung des Myokards hinsichtlich der Stellung eindeutiger histologischer Diagnosen eine verminderte Sensitivität haben. Für diese Fragestellung sind trotz Verdachtsdiagnose bis zu 40% der Biopsien histologisch unauffällig. Die spezifischen, morphologischen Kriterien, wie z.B. Riesenzellen oder Granulome können in den konventionell-histologischen Untersuchungen von EMBs aufgrund eines, durch das fokale Auftreten dieser Erkrankungen bedingten, Stichprobenfehlers nicht nachgewiesen werden. Daher ist ein verbessertes diagnostisches Verfahren zum zuverlässigen Nachweis der schwer zu identifizierenden Krankheitsentitäten dringend erforderlich.

Durch die Etablierung eines spezifischen Genexpressionsprofils im Herzmuskelgewebe ist es uns gelungen, trotz des Problems des „sampling errors“ in über 95% der Fälle eine eindeutige Diagnose zu stellen. Darüber hinaus kann mit Hilfe der Analyse des Genprofils die Effektivität und die Dauer der Therapie überprüft werden. Im Gegensatz zur konventionellen (immun-)histologischen Untersuchung der Endomyokardbiopsie erkennt molekulares Gene Profiling Änderung in der Genexpression 15 bestimmter Markergene, welche nur fokal zur Entwicklung eines pathologischen Phänotyps führen. Diese Methode erreicht damit eine hohe Sensitivität und Spezifität und wird erfolgreich in der Diagnostik eingesetzt (1,2).

 

MiRNAs zur Identifizierung von Patienten mit entzündlichen und/oder viral-induzierten Kardiomyopathien

MicroRNAs (miRNAs), 22 Nukleotiden lange, im Erbgut kodierte RNAs, erfüllen eine wichtige Aufgabe bei der Steuerung grundlegender biologischer Prozesse wie Entwicklung, Zelldifferenzierung, Proliferation und Apoptose, und könnten als prospektive Biomarker zur Identifizierung von unerklärter Herzinsuffizienz, die durch einen viralen und/oder entzündlichen Prozess verursacht wird, verwendet werden.

Nach TaqMan® OpenArray® Screening von 754 einzigartigen zirkulierenden miRNAs im Serum von durch Biopsie nachgewiesenen Patienten (184 – mit entzündlichen und/oder viral induzierten Myokarderkrankungen (DCMi), 25 – mit dilatativer Kardiomyopathie (DCM) und 25 gesunden Spendern), wurden:

  • 5 miRNAs (let-7f, miR-197, miR-223, miR-93, miR-379) identifiziert, die ermöglichen zwischen Patienten mit einem Virus und/oder einer Entzündung und gesunden Spendern (P < 0,05) mit einer Spezifität von über 93 % zu unterscheiden (3).
  • 2 miRNAs (miR-21 und miR-30a-5p), um DCM-Patienten von allen anderen Studiengruppen (P < 0,05) mit einer Spezifität von über 95 % auszusortieren (3).

Der Nachweis bestimmter miRNAs im Serum bietet zum ersten Mal die Möglichkeit, Patienten mit intramyokardialer Entzündung und/oder viraler Persistenz nicht-invasiv, nur anhand einer einzigen Serumprobe zu identifizieren, unabhängig von der verschriebenen Therapie und dem Zeitpunkt des Auftretens der Symptome.

Das ermöglicht die frühzeitige Identifikation von Patienten, bei denen frühzeitig eine Myokardbiopsie als Grundlage für eine exakte Diagnose als Voraussetzung für eine kausale, spezifische und personalisierte Therapie.

 

Molekulare Diagnostik von HHV6-Infektionen

Das IKDT Institut Kardiale Diagnostik und Therapie GmbH in Berlin, Deutschland, ist eines der wenigen Laboratorien in Europa und weltweit, welche die Bestimmung von Humanem Herpesvirus-6 (HHV6) in menschlichem Gewebe und in Vollblut durch die quantitative PCR (QPCR) als Routinediagnostik anbietet. Das Portfolio beinhaltet sowohl die Messung der HHV6 DNA Viruslast, als auch die Bestimmung der transkriptionellen Aktivität des Virus durch Messung der viralen RNA nach Reverse-Transkription (RT) in cDNA.

Diese Untersuchungen werden für den molekularen Nachweis einer frischen HHV6-Infektion und der Bestimmung von chromosomal integriertem HHV6 (ciHHV6) angeboten und können für mehrere mit diesem Virus assoziierten Erkrankungen wie Drei-Tage-Fieber, Enzephalitiden, Krampfanfälle oder das chronisches Ermüdungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrom, CFS) sinnvoll sein. Die Bestimmungen können im Vollblut oder in menschlichem Gewebe durchgeführt werden.

Virologische Untersuchungen von Herzmuskelbiopsien zeigen eine Präsenz von HHV6 in bis zu 20% der untersuchten Patienten, wobei auch hier der Subtyp B dominiert. Es ist damit, nach den Erythroviren, der häufigste nachgewiesene Erreger in Herzmuskelproben und gilt somit als kardiotropes Virus (4,5,6,7).

Was ist chromosomal integriertes HHV6 (ciHHV6)?

Der Einbau des kompletten HHV6-Genoms in ein Wirtszell-Chromosom wird als chromosomal integriertes HHV6 (ciHHV6) bezeichnet. Hierbei gilt die Telomer-Region der Chromosomen als bevorzugter, aber nicht einziger Ort des Einbaus. Es gibt auch kein bestimmtes menschliches Chromosom, in welches HHV6 am häufigsten integriert.

Die Häufigkeit von ciHHV6 liegt bei unterschiedlichen Populationen zwischen 0.2 bis 0.8%, was bedeutet, dass von 1 Million Einwohner immerhin 80.000 Menschen ciHHV6 positiv wären.

Da HHV6 in das Keimzellen-Genom integriert, liegt es in jeder Körperzelle vor und wird bei jeder Zellteilung auf die Tochterzellen vererbt. Laut Vererbungsregeln wird es mit einer Häufigkeit von 50% auf die Kinder vererbt. Es kann auch durch Stammzell- oder Organtransplantationen von ciHHV6-positiven Spendern auf negative Empfänger überragen werden. Obwohl es dazu keine belastbaren Studien gibt, sollten Stammzell-Präparationen vor der Transplantation auf das Vorliegen von ciHHV6 getestet werden.
Da HHV6 im Verdacht steht, für einige neurologische Erkrankungen wie auch für das chronische Ermüdungssyndrom (Chronic Fatigue Syndrom, CFS) mitverantwortlich zu sein, könnte eine Bestimmung des Virus zusammen mit anderen Herpesviren (CMV, EBV) im peripheren Blut von diesen Patienten sinnvoll sein. Allerdings gibt es für diese Theorie noch keine belastbaren Daten oder Studien.

Welche Therapiemöglichkeiten für eine HHV6-Infektion gibt es?

Impfstoffe gegen HHV6 stehen bisher nicht zur Verfügung und könnten dann möglicherweise nur bei Kleinkinder durchgeführt werden. Es gibt auch keine offiziell zugelassenen Medikamente für die Behandlung von HHV6-Infektionen. Aber für die Therapie des nahe verwandten Cytomegalievirus (CMV) sind Ganciclovir, Forscanet und Cidofovir als Therapeutika insbesondere für Transplantationspatienten zugelassen.

Bei schwerwiegenden neurologischen Komplikationen (z. B. Enzephalitis, Status epilepticus) oder ciHHV6 sollten die Ärzte über eine antivirale Therapie mit Ganciclovir oder Foscarnet nachdenken, welche für Cytomegalievirus-Infektionen von Patienten nach Organtransplantationspatienten bereits erfolgreich angewandt wird. Es liegen hierzu noch keine belastbaren klinischen Studien vor, aber erste Pilotversuche mit Ganciclovir für die Behandlung von Infektionen des ZNS laufen mit positiven Ergebnissen.

Für ciHHV6-Patienten mit den klinischen Symptomen einer Kardiomyopathie kann eine Therapie mit Valganciclovir diskutiert werden. Hierbei können bei den Patienten Myokardits-ähnliche Symptome inklusive einer intramyokardialen Entzündung auftreten. Häufiger findet sich ein völlig entzündungsfreies Myokard, aber eine applizierte Therapie verbessert die klinische Situation der patienten dramatisch (7,8).

Die Behandlung mit Valganciclovir kann das ciHHV6 nicht eliminieren, aber die aktuelle Virusreplikation hemmen oder komplett unterbinden. Zur Bestimmung einer transkriptionell aktiven Virusinfektion muss die Menge viraler RNA mit QPCR nach RT-Reaktion gemessen werden. Diese Methode kann zum Monitoring einer chronischen HHV6-Infektion, z.B. auch bei ciHHV6, genutzt werden. Die Bewertung des Therapieerfolgs kann letztendlich nur über Reduktion der klinischen Komplikationen erfolgen. Bisher ist diese Behandlungsoption nur als Heilversuch zugelassen, wenn die Krankenkasse die Kosten übernimmt.

Ein internationales Konsortium von Experten auf dem Gebiet der HHV6-Infektionen und für ciHHV6 hat in Form eines Fragen-Antwort-Katalogs eine Informationsbroschüre für Ärzte erstellt.

HHV6-Diagnostik im IKDT

  • Bestimmung von HHV6 mit nested-PCR
  • Subtypbestimmung durch Direktsequenzierung
  • Messung der HHV6 DNA-Viruslast in Vollblut oder Gewebeproben (Herzmuskelbiopsien) mit QPCR
  • Bestimmung der transkriptionellen Aktivität des HHV6  zum Therapiemonitoring mit RT-QPCR
  • Bestimmung von chromosomal integriertem HHV6 (ciHHV6)
  • Überprüfung von Stammzellen oder Spenderorganen auf ciHHV6

Blutuntersuchungen bei Patienten mit Verdacht auf HHV6-assoziierte Erkrankungen (Drei-Tage-Fieber, Enzephalitiden, Status epilepticus, CFS)

 

Referenzen:

  1. Lassner D, Kühl U, Siegismund CS, Rohde M, Elezkurtaj S, Escher F, Tschöpe C, Gross UM, Poller W, Schultheiss HP. Improved diagnosis of idiopathic giant cell myocarditis and cardiac sarcoidosis by myocardial gene expression profiling. Eur Heart J. 2014 Aug 21;35(32):2186-95. doi: 10.1093/eurheartj/ehu101. Epub 2014 Mar 24. PMID: 24667923. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24667923/
  2. Escher F, Pietsch H, Aleshcheva G, Wenzel P, Fruhwald F, Stumpf C, Westermann D, Bauersachs J, Enseleit F, Ruschitzka F, Nägele H, Laugwitz KL, Haake H, Frey N, Brachmann J, Huber K, Braun-Dullaeus RC, Bergmann MW, Strotmann J, Grönefeld G, Krülls-Münch J, Westenfeld R, Skurk C, Landmesser U, Pieske B, Gross UM, Morawietz L, Schultheiss HP. Evaluation of Myocardial Gene Expression Profiling for Superior Diagnosis of Idiopathic Giant-Cell Myocarditis and Clinical Feasibility in a Large Cohort of Patients with Acute Cardiac Decompensation. J Clin Med. 2020 Aug 19;9(9):2689. doi: 10.3390/jcm9092689. PMID: 32825201; PMCID: PMC7563288. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7563288/
  3. Aleshcheva G, Pietsch H, Escher F, Schultheiss HP. MicroRNA profiling as a novel diagnostic tool for identification of patients with inflammatory and/or virally induced cardiomyopathies. ESC Heart Fail. 2021 Feb;8(1):408-422. doi: 10.1002/ehf2.13090. Epub 2020 Nov 20. PMID: 33215881; PMCID: PMC7835602. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/33215881/
  4. Escher F, Kühl U, Gross U, Westermann D, Poller W, Tschöpe C, Lassner D, Schultheiss HP. Aggravation of left ventricular dysfunction in patients with biopsy-proven cardiac human herpesvirus A and B infection. J Clin Virol. 2015 Feb;63:1-5. doi: 10.1016/j.jcv.2014.11.026. Epub 2014 Nov 29. PMID: 25600595.
  5. Kühl U, Pauschinger M, Noutsias M, Seeberg B, Bock T, Lassner D, Poller W, Kandolf R, Schultheiss HP. High prevalence of viral genomes and multiple viral infections in the myocardium of adults with "idiopathic" left ventricular dysfunction. Circulation. 2005 Feb 22;111(7):887-93. doi: 10.1161/01.CIR.0000155616.07901.35. Epub 2005 Feb 7. PMID: 15699250.
  6. Kühl U, Pauschinger M, Seeberg B, Lassner D, Noutsias M, Poller W, Schultheiss HP. Viral persistence in the myocardium is associated with progressive cardiac dysfunction. Circulation. 2005 Sep 27;112(13):1965-70. doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.105.548156. Epub 2005 Sep 19. PMID: 16172268.
  7. Kühl U, Lassner D, Wallaschek N, Gross UM, Krueger GR, Seeberg B, Kaufer BB, Escher F, Poller W, Schultheiss HP. Chromosomally integrated human herpesvirus 6 in heart failure: prevalence and treatment. Eur J Heart Fail. 2015 Jan;17(1):9-19. doi: 10.1002/ejhf.194. Epub 2014 Nov 11. PMID: 25388833.
  8. Pellett PE, Ablashi DV, Ambros PF, Agut H, Caserta MT, Descamps V, Flamand L, Gautheret-Dejean A, Hall CB, Kamble RT, Kuehl U, Lassner D, Lautenschlager I, Loomis KS, Luppi M, Lusso P, Medveczky PG, Montoya JG, Mori Y, Ogata M, Pritchett JC, Rogez S, Seto E, Ward KN, Yoshikawa T, Razonable RR. Chromosomally integrated human herpesvirus 6: questions and answers. Rev Med Virol. 2012 May;22(3):144-55. doi: 10.1002/rmv.715. Epub 2011 Nov 4. PMID: 22052666; PMCID: PMC3498727.